Leseprobe

Mario Moritz
Kiri

Ein leichter Südwind kam auf, hervorgerufen durch die aufsteigende Hitze in der Tiefebene. Unaufhörlich schickte die Sonne ihre Strahlen dorthin, als wollte sie den Sand zu einem Schmelztiegel formen. Die Kaltluft aus den Bergen mischte sich mit der Wärme, geriet in Strömung und wurde zum Föhn.
Nicht lange dauerte es, bis sich die ersten Blätter der Bao-Bäume am Rande der Wüste bewegten und gierig in den Wind stellten, in der Hoffnung auf erquickendes Nass. Doch auch sie mussten sich in Geduld üben, wie all die Kreaturen dieser Gegend.
Die Bao-Bäume entstanden vor Jahrhunderten aus Sporen, die ein Komet aus den Weiten des Alls mitgebracht hatte. Sie überlebten die ständigen Veränderungen, denen ein Planet unterworfen ist und bildeten nun einen Schutzzaun um einen riesigen Wald. Auf Grund ihres geringen Feuchtigkeitsbedarfes, waren sie in der Lage, den heißen und trockenen Wüstenwinden zu trotzen. Ihnen genügten die Tautropfen, welche sich am Morgen bildeten, die sie mit ihren Blättern einfingen und den Wurzeln zuleiteten. Doch die Feuchtigkeitsspende blieb aus, wie meist in den Nachmittagsstunden. Aarox, dieser alte Planet, hatte seinen eigenen Rhythmus. So rollten sich die Blätter wieder zusammen und ließen den Luftstrom durch, in die dunkleren Gefilde des Waldes. Auch die vielen anderen Baumarten drehten ihre Blätter aus dem Wind. Nur Wasser zählte für ihr Überleben.
Aber ein anderes Wesen begann zu erwachen. Kiri lag, als unscheinbare violette Pfütze auf den Überresten eines toten Anubi. Nur seine filigranen Blattsensoren ragten, zwei kleinen Büschen gleich heraus und wachten. Gefahr lag nicht in der Luft. Keine andere Kreatur dieses Planeten konnte ihn ernsthaft gefährden, außer einer Jungtiergruppe von Anubi vielleicht, wenn sie ihn übersehen und im Spiel überrennen würden.
Sacht fuhr der Wind durch die Verästelungen, welche ständig die Geruchsstoffe herausfilterten und analysierten. Ein Hauch von Fremdartigkeit ließ Kiri unruhig werden. Doch dieser Duft trug auch Spuren von Nahrung in sich. So schob er seine Sensoren empor, denen zwei liedlose Augen folgten. Er plusterte sich auf und hatte bald seine eigentliche, unförmige Gestalt erreicht. Aufmerksam musterte er seine Umgebung. Doch es gab nichts Außergewöhnliches zu sehen. So beschloss er, diesem eigentümlichen Duft zu folgen und glitt behutsam in Richtung Süden.

Dieses ist das erste Kapitel.